Die A. AG – ein Kies‑ und Betonunternehmen im Thurgau – hatte Ende 2019 zahlreiche Liefer‑ und Transportaufträge vollständig ausgeführt, diese aber erst im Januar 2020 fakturiert.
Statt die erbrachten, aber noch nicht abgerechneten Umsätze als Forderungen oder aktive Rechnungsabgrenzungen zum Netto‑Verkaufspreis zu bilanzieren, verbuchte sie sie auf dem Konto «Angefangene Arbeiten» lediglich zu Herstellungs‑ bzw. Einstandskosten. Bei einer Steuerkontrolle rechnete die kantonale Behörde den Differenzbetrag von rund CHF 292 000 auf und erhöhte die Steuerrückstellung. Nach erfolglosen kantonalen Rechtsmitteln gelangte die A. AG ans Bundesgericht.
Urteil des Bundesgerichts
Das Bundesgericht (2C 632/2022, Urteil vom 13. September 2022) wies die Beschwerde ab und präzisierte die handels‑ und steuerrechtliche Einordnung sogenannter nicht fakturierter Dienstleistungen:
- Ertragsrealisation: Mit Vollendung der Leistung entsteht der zivil‑rechtliche Zahlungsanspruch; ob bereits eine Rechnung gestellt wurde, spielt keine Rolle. Damit ist der Ertrag am Bilanzstichtag realisiert.
- Bilanzielle Kategorie: Vollständig erbrachte, noch nicht fakturierte Leistungen gehören weder zu den Vorräten (Work in Progress) noch – zwangsläufig – zu den Debitoren, sondern bilden antizipative aktive Rechnungsabgrenzungen. Sie sind kurzfristig und werden nach Rechnungsstellung rückgebucht.
- Bewertung: Solche Ertragsnachträge sind zum Netto‑Verkaufspreis (abzüglich Delkredere) zu aktivieren. Eine Bewertung zu blossen Herstellkosten ist unzulässig, weil sie realisierte Gewinne in künftige Perioden verschiebt und damit das Realisationsprinzip verletzt.
- Massgeblichkeitsprinzip: Steuerrechtlich gilt spiegelbildlich dasselbe «Soll‑Prinzip» wie im Handelsrecht; es existiert keine Sondernorm, die eine blosse Kostenbewertung erlaubte. Folglich war die steuerliche Aufrechnung rechtmässig.
Fazit und Praxishinweise
Für den Bilanzposten «nicht fakturierte Dienstleistungen» dürfen ausschliesslich Leistungen erfasst werden, die bis zum Bilanzstichtag vollständig erbracht sind und für die bereits ein rechtlich durchsetzbarer Anspruch auf Vergütung besteht. Diese sind als antizipative Aktive zum Netto‑Verkaufspreis (unter angemessenem Delkredere) auszuweisen. Nicht erfasst werden dürfen
- unfertige Aufträge, Teil- oder Zwischenleistungen (sie verbleiben als Vorräte/angefangene Arbeiten zum Herstellkostensatz),
- Leistungen ohne vertraglich fälligen Gegenanspruch,
- pauschale Bestände, die lediglich dem Ausweis von Kosten dienen.
Unternehmen sollten deshalb ihre ERP‑Systeme und Kontierungsanweisungen prüfen: Sind Umsatz‑ und Fakturierungsprozesse so verknüpft, dass abgeschlossene Leistungen automatisch als «Ertragsnachtrag» verbucht und nach Rechnungsstellung zurückgeführt werden? Andernfalls drohen Aufrechnungen, Nach‑ und Strafsteuern sowie Zinsbelastungen. Das Urteil mahnt: Transparente Periodenabgrenzung hat Vorrang vor bilanzpolitischer Glättung – realisierte Gewinne gehören in die Erfolgsrechnung des laufenden Jahres.
Beitrag wurde unter Mithilfe von ChatGPT o3 erstellt.