Nachfolgeplanung & Unternehmensbewertung – wichtige geplante Neuerungen beim Ausgleich des Pflichtteils
Gemäss bundesrätlicher Botschaft vom 18. Juni 2022 soll bei einer Übertragung von Unternehmensanteilen zu Lebzeiten des Erblassers eine Bewertung erfolgen, bei der «nicht betriebsnotwendige» Substanz separat bewertet werden muss. Hintergrund ist primär die Verteilung des Wertzuwachses vom Zeitpunkt der Übertragung bis zum Tod des Erblassers beim Ausgleich des Pflichtteilanspruchs. Da der Gesetzgeber kein konkretes Verfahren vorschreibt, stellen sich wichtige Fragen bei der Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden. Die Vorlage ist aktuell «auf dem Weg» zur parlamentarischen Beratung.
1. Ausgangslage
Im geltenden Schweizer Erbrecht gibt es keine speziellen Bestimmungen für die Vererbung von Unternehmen und Unternehmensteilen. Das geltende Erbrecht stellt bei der Wertermittlung auf den Todestag ab. Wenn nun ein Unternehmen ganz oder teilweise bereits zu Lebzeiten der Erblasserin oder des Erblassers übertragen wurde (z. B. durch Übertragung der Aktienanteile oder bei anderen Formen der Vermögensübertragung) und im Rahmen der erbrechtlichen Auseinandersetzung eine Bewertung der Eigentumsrechte stattfinden muss, so kann sich der Wert der übertragenen Unternehmung vom Zeitpunkt der Übertragung bis zum Zeitpunkt des Todes verändert haben. Nach geltendem Recht ist im Grundsatz sowohl die positive als auch die negative Wertveränderung der gesamten Erbteile von der Erbengemeinschaft zu tragen. Die bundesrätliche Botschaft vom 10.6.2022¹ schafft neue Regeln zum Anrechnungswert des Unternehmens und vor allem zum Zeitpunkt, der für dessen Ermittlung ausschlaggebend ist. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht von hohem Interesse ist der Vorschlag, dass die neuen Regeln unterscheiden sollen zwischen Aktiven, die sich zwar im Besitz des Unternehmens befinden, aber je nach Tätigkeitsbereich für dessen Betrieb nicht notwendig sind und den betrieblich notwendigen Positionen. Bei den nicht betriebsnotwendigen Positionen steht der Wertgewinn/-verlust zwischen Zuwendungszeitpunkt und Todeszeitpunkt allen Erbberechtigten zu, während Wertänderungen der betriebsnotwendigen Positionen ab dem Zeitpunkt der Beherrschung dem Inhaber der Kontrollrechte zugeschrieben werden.
2. Problematik aus Sicht der RechnungslegungDer Gesetzgeber sieht gemäss Art. 959b OR explizit vor, dass nicht betriebliche Erträge und nicht betriebliche Aufwendungen in der Erfolgsrechnung separat gezeigt werden müssen. Keine Vorgaben gibt es aber darüber, wie konkret solche nicht betrieblichen Positionen von betrieblichen Positionen abzugrenzen sind. Es gibt mit anderen Worten keine handelsrechtliche oder betriebswirtschaftliche Definition, die herangezogen werden kann, wenn ein Teil der Substanz als nicht betriebsnotwendig bezeichnet werden soll. Ebenso wenig bestehen Vorgaben darüber, dass solche Positionen auch in der Bilanz separat anzugeben seien, obwohl es von dort eine Verbindung zu nicht betrieblichen Erträge/Aufwendungen geben muss. Analoge Überlegungen gelten für die Geldflussrechnung, die ebenso wenig in nicht betriebliche Zahlungsflüsse aufgeschlüsselt werden muss. Die Botschaft des Bundesrates behandelt diesen Punkt knapp, indem mit der Nennung eines «ungenutzten Baugrundstücks» und eines «wertvollen Bildes» Beispiele für nicht betriebliche Substanz genannt werden, die auf den ersten Blick intuitiv einleuchtend wirken, auf den zweiten Blick aber viele Fragen aufwerfen. So ist der Entscheid zur gewählten Nutzung von Aktiven ein unternehmerischer Entscheid, der unterschiedlich gefällt werden kann. Renditeliegenschaften können beispielsweise dazu eingesetzt werden, um eine «Diversifikation» zu den Erträgen sonstiger Geschäftsfelder zu schaffen (und sind somit betrieblicher Natur, da sie insgesamt Bestandteil des Geschäftsmodells sind). Ähnlich knifflige Fragen könnten sich bei Aktiven stellen, die «gemischt» genutzt werden. Auch ein Teil der flüssigen Mittel könnte bilanziell höher sein, als es betrieblich notwendig wäre (sog. «Überschussliquidität»).
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3. Fazit zur Unternehmensbewertung
Um in solchen Situationen eine plausible und einfache Grundlage für den Wertausgleich zu schaffen, ist bei der Bewertung darauf zu achten, betriebliche und nicht betriebliche Positionen gesondert zu bewerten. Wertveränderungen nicht betrieblicher Positionen, die vom Zeitpunkt des Erbvorbezugs bis zum Tod des Erblassers berechnet werden, führen, so die Botschaft des Bundesrates, zu einem Wertausgleich bei der Bemessung des Pflichtteils. Es ist deshalb nicht abwegig zu vermuten, dass bei seitens vorbeziehender Person eine Tendenz besteht, alle Substanz als betrieblich zu qualifizieren. Die bekannte Substanzwertmethode vermag eine solche Trennung auf einfache Art und Weise zu gewährleisten, ist allerdings traditionell vergangenheitsorientiert und berücksichtigt die Zukunft nur ansatzweise, indem die Werthaltigkeit der Aktiven von ihrer zukünftigen Nutzung abhängen dürfte. Anders ist dies bei Verwendung der Ertragswertmethode, wobei dort die Aufteilung der Erfolgsrechnung zu einem erhöhten Rechenaufwand (und damit Potential für Auseinandersetzungen) führen kann.
¹ Vgl. Schweizer Bundesrat (2022): Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (Unternehmensnachfolge) vom 10. Juni 2022, SR 22.049. Der aktuelle Stand der parlamentarischen Beratungen ist unter https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20220049 abrufbar (Abrufdatum 5.10.2023).
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