Bundesgericht: Pauschale Rückstellungen für Unterhalt und Reparaturen

Jüngst hat das Bundesgericht in einem Entscheid vom Dezember 2020 (Link zum Entscheid) entschieden, wie die steuerliche Würdigung von (erstmals) «pauschal» verbuchten Rückstellungen für zukünftige Reparaturen und Unterhalt auf rund zwei Dritteln der im Geschäftsvermögen gehaltenen Liegenschaften eines Einzelunternehmens (in der Höhe von 1 % des Gebäudeversicherungswerts der betroffenen Liegenschaften) vorzunehmen ist.

Laufend vorzunehmende Unterhaltsarbeiten sind aus steuerlicher Hinsicht grundsätzlich im laufenden Jahr zu buchen.

1. Verbindung von Steuerrecht und Handelsrecht

Zur Bemessung des steuerlich massgeblichen Erfolgs ist vom handelsrechtskonform erstellten OR-Abschluss auszugehen. Dieses sog. «Massgeblichkeitsprinzip» wird in Art. 58 Abs. 1 lit. a und Art. 18 Abs. 3 DBG formuliert: Die handelsrechtskonform erstellte Jahresrechnung (Art. 957 ff. OR) bildet den Ausgangspunkt für die steuerliche Bemessung von Gewinn und Kapital. Möglich sind jedoch «Korrekturen» aufgrund besonderer Vorschriften, mit denen das Abgaberecht bewusst vom Handelsrecht abweicht.

2. Handelsrechtliche Würdigung

Rückstellungen sind Bestandteil des Fremdkapitals (s. Art. 960e OR sowie Art. 959 Abs. 5 OR sowie die Aufteilung des Fremdkapitals gemäss Art. 959a Abs. 2 Ziff. 1 und 2 OR). Die allgemeinen Voraussetzungen zur Passivierung gemäss Art. 959 Abs. 5 OR gelten auch hier: Rückstellungen müssen bilanziert werden, wenn sie durch vergangene Ereignisse bewirkt wurden, ein zukünftiger Mittelabfluss wahrscheinlich ist und ihre Höhe verlässlich geschätzt werden kann. Gemäss Art. 960e Abs. 2 OR müssen solche Buchungen zulasten der Erfolgsrechnung gebildet werden, wenn vergangene Ereignisse einen Mittelabfluss in künftigen Geschäftsjahren erwarten lassen. Zukünftige Reparaturen fallen im Allgemeinen kaum unter diese Definition, womit handelsrechtlich keine Passivierung möglich ist.

Gemäss Art. 960e Abs. 3 OR dürfen jedoch auch andere Rückstellungen gebildet werden, welche nicht in jedem Fall der soeben skizzierten Definition entsprechen. Dabei werden in den Ziff. 1 – 4 des Absatzes 3 von Art. 960e OR insbesondere vier zusätzlich mögliche Rückstellungsfälle genannt:

  1. Regelmässig anfallende Aufwendungen aus Garantieverpflichtungen (Ziff. 1)
  2. Zukünftige Sanierungen von Sachanlagen (Ziff. 2)
  3. Restrukturierungen (Ziff. 3)
  4. Rückstellungen für die Sicherung des dauernden Gedeihens des Unternehmens (Ziff. 4).

Während Garantierückstellungen der Definition noch am ehesten entsprechen dürften, erlauben die anderen Tatbestände (so insbesondere Art. 960e Abs. 3 Ziff. 4 OR) die Bildung von stillen Ermessens- oder Willkürreserven und stellen damit höchstens buchhalterisch Fremdkapital dar. Die Existenz des Vorsichtsprinzips setzt dabei der buchhalterischen Rückstellungsbildung in der Praxis kaum nennenswerte Grenzen; materiell handelt es sich bei solchen Posten jedoch um Eigenkapital, das handelsrechtlich aber weder so bezeichnet noch im Anhang erwähnt werden muss (nur eine Netto-Auflösung von stillen Reserven ist in gewissen Fällen vorgesehen, nicht aber die Skizzierung von Beständen).

3. Steuerrechtliche Würdigung

Wie hat nun das Bundesgericht im vorliegenden Fall entschieden? – Strittig ist aus steuerrechtlicher Sicht, ob es sich bei den im handelsrechtlichen Abschluss verbuchten «Rückstellungen» um steuerlich akzeptierte Rückstellungen gem. Art. 29 Abs. 1 lit. c DBG (andere unmittelbar drohende Verlustrisiken, die im Geschäftsjahr bestehen) handelte. Das Bundesgericht hat dies, wie auch die Veranlagungsbehörden, im Kern aus folgenden Überlegungen verneint.

  • Laufend vorzunehmende Unterhaltsarbeiten sind aus steuerlicher Hinsicht grundsätzlich im laufenden Jahr zu buchen.
  • Ausnahmen von diesem Grundsatz sind möglich, wenn in der Vergangenheit der Unterhalt von Liegenschaften vernachlässigt wurde und dieser Umstand nicht durch die Vornahme ausreichend hohen Abschreibungen (Art. 960a Abs. 3 OR) verbucht wurde. In solchen Fällen kann in Zukunft mit Aufwendungen gerechnet werden, die «noch nicht durch Wertberichtigungen oder Abschreibungen gedeckt» wurden. Nur unter diesen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass die Vermögens- und Gewinnsituation des betreffenden Unternehmens ohne Zulassung einer Rückstellung für Grossreparaturen zu günstig dargestellt würde, und dafür sind Rückstellungen i.S.v. Art. 29 Abs. 1 lit. c DBG möglich.
  • Auch in Fällen, bei denen der Unterhalt nicht vernachlässigt wurde, aber aktivierbare wertvermehrende Ausgaben anstehen, kann sich jedoch kurzfristig – wenn z.B. eine Grossreparatur für das folgende Geschäftsjahr bereits bevorsteht und deren Kosten abschätzbar sind – die Notwendigkeit ergeben, solche (in Zukunft zu aktivierenden) Investitionen bereits in der Vorbereitungsphase solcher Arbeiten (wenn am Ende des Geschäftsjahres z.B. schon ein konkreter Sanierungsplan vorhanden ist) durch Bildung einer Rückstellung buchhalterisch zu berücksichtigen, d.h. auf diese Weise einen möglichst periodengerechten Gewinnausweis zu bewirken. Ein solcher Bedarf zur (kurzfristigen) Rückstellungsbildung ist insbesondere bei Unternehmen mit einem grossen Immobilienbestand denkbar, bei denen in einem regelmässigen Rhythmus Grossreparaturen ausgeführt werden.

Wie der Entscheid zeigt, folgen die Steuerbehörden nicht in jeder Beziehung umfassend der in Swiss GAAP FER oder IFRS üblichen und OR ebenso umschriebenen Interpretation der Rückstellungen als Verpflichtungen aus einem «vergangenen» Ereignis, stellen jedoch in den davon abweichenden Fällen zum Teil schwer zu erfüllende Voraussetzungen für solche Buchungen. Es empfiehlt sich wohl in der Praxis, diesen Punkt im Voraus mit den Veranlagungsbehörden zu klären, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

 

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