Ein Verwaltungsrat haftet als Exekutivorgan für Schäden, die als Folge von Pflichtverletzungen entstehen. Viele der Pflichten des Verwaltungsrats einer Aktiengesellschaft (und damit indirekt beispielsweise auch von Geschäftsführern einer GmbH oder dem Verwaltungsrat einer Kreditgenossenschaft) leiten sich aus der Generalklausel in Art. 717 OR ab. Dort ist vorgesehen, dass die Exekutivorgane ihre Aufgaben mit aller Sorgfalt ausüben und die Interessen der Gesellschaft in guten Treuen wahren müssen.
Zu den aus dieser Bestimmung abgeleiteten Pflichten gehören auch die Sorgfaltspflichten. Aus diesen wiederum werden weitere Pflichten und Verhaltensanordnungen abgeleitet:
Zu den aus dieser Bestimmung abgeleiteten Pflichten gehören auch die Sorgfaltspflichten. Aus diesen wiederum werden weitere Pflichten und Verhaltensanordnungen abgeleitet:
Aus der Pflicht zum Erhalt des Gesellschaftsvermögens lässt sich aber nicht nur die Pflicht ableiten, unnötige Ausgaben zu vermeiden, sondern auch die Pflicht, Erträge zu generieren. Es ist offensichtlich, dass es u.a. die Pflicht eines Verwaltungsrats ist, eine liquide Forderung geltend zu machen. So muss der Verwaltungsrat beispielsweise dafür besorgt sein, ein fälliges Darlehen zurückzufordern. Verzichtet er ohne guten Grund darauf, namentlich wenn er es vergisst, so verletzt er dadurch seine Sorgfaltspflichten. Daraus entsteht der Gesellschaft ein Schaden, wofür der fehlbare Verwaltungsrat persönlich zur Verantwortung gezogen werden kann.
Wenn also eine reelle, erst recht aber wenn eine hohe Chance besteht, dass eine Forderung erfolgreich durchgesetzt werden kann, ist der Verwaltungsrat grundsätzlich verpflichtet, eine solche Forderung auch durchzusetzen. Sofern das als verhältnismässig beurteilt wird, muss die Forderung auch auf dem Prozessweg durchgesetzt werden.
Verantwortlichkeitsansprüche unterscheiden sich nicht grundsätzlich von anderen Forderungen, insbesondere Schadenersatzforderungen der Gesellschaft. Sofern also ein Verantwortlichkeitsanspruch gegen einen Verwaltungsratskollegen oder ein ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrats bzw. der Geschäftsleitung liquide ist, d.h. die Erfolgsaussichten positiv eingeschätzt werden, muss dieser Anspruch auch durchgesetzt werden, um sich nicht selbst dem Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzungen auszusetzen. Massgeblich ist dabei, ob ein vernünftiger Dritter in derselben Situation die Forderung geltend machen würde.
Bleibt die Frage, mit welcher Begründung denn auf die Durchsetzung eines solchen Anspruchs verzichtet werden könnte, ohne sich selber einem Risiko auszusetzen. Sicher ist, dass eine persönliche Beziehung zum potenziell Haftpflichtigen kein guter Grund ist. Im Gegenteil würde das eher auf einen Interessenkonflikt des Betroffenen schliessen lassen.
Es ist aber denkbar, dass aus geschäftlichen Gründen auf die Durchsetzung der Forderung verzichtet wird. Dies könnte namentlich dann der Fall sein, wenn zu befürchten ist, dass der Prozess der Reputation der Gesellschaft schädlich sein könnte, bzw. der Gesellschaft bei Durchführung eines solchen Prozesses mehr Schaden zugefügt wird, als bei Verzicht auf den Prozess.
Verzichtet ein Verwaltungsrat auf die Durchsetzung einer an sich liquiden Forderung, ist er somit gut beraten, wenn er diesen Entscheid bzw. die Gründe, die dazu geführt haben, detailliert dokumentiert. Möglicherweise macht es auch Sinn, sich dabei auf die Einschätzung durch einen Experten abzustützen, um den Verzicht auch für Aussenstehende nachvollziehbar zu machen.
Nur wenn der Verzicht auf einer angemessenen Informationsbasis, sowie einem einwandfreien und frei von Interessenskonflikten basierenden Entscheidungsprozess beruht, gilt er auch als Geschäftsentscheid und kann gemäss der vom Bundesgericht entwickelten Business Judgment Rule vom angerufenen Gericht nur eingeschränkt überprüft werden.
Wenn also Personen an der Entscheidungsfindung beteiligt sind, welche selbst betroffen sein könnten und sich somit in einem Interessenskonflikt befinden, besteht das grosse Risiko, dass der Verzicht auf die Durchführung eines Verantwortlichkeitsprozesses im Rahmen eines weiteren Verantwortlichkeitsprozesses gegen die verzichtenden Verwaltungsräte nicht als Geschäftsentscheid qualifiziert würde. Dies würde dazu führen, dass das angerufene Gericht den Entscheid ohne Einschränkung überprüfen, d.h. sein eigenes Ermessen an die Stelle der entscheidenden Personen setzen könnte. Dies erhöht das Haftungsrisiko der Betroffenen erheblich.
Der Verzicht auf die Einleitung eines Verantwortlichkeitsprozesses kann somit zum Boomerang werden. Nicht nur wenn der Verzicht nicht auf einem guten, objektiv nachvollziehbaren Grund beruht, sondern auch, wenn Personen am Entscheid mitwirken, welche selber betroffen sein könnten, besteht ein erhebliches Risiko, dass der verzichtende Verwaltungsrat selber haftbar wird.