Im Rahmen des normalen Geschäftsgangs muss sich ein Gläubiger an die Gesellschaft halten, wenn er Forderungen geltend machen will. Dies gilt auch dann, wenn eine Verpflichtung durch einen Verwaltungsrat eingegangen wurde, denn das Handeln des Verwaltungsrates für eine Gesellschaft gilt normalerweise als Handeln der juristischen Person und wird dieser angerechnet. Aber in Ausnahmefällen, beispielsweise wenn ein Verwaltungsrat die Gesellschaft selber schädigt, kann er persönlich haftbar werden.
Solange ein Verwaltungsrat in den Schranken seiner Befugnisse und unter Einhaltung seiner Pflichten handelt, kann er nicht persönlich zur Verantwortung gezogen werden. Erst wenn er solche Pflichten als Organ der Gesellschaft verletzt und die Gesellschaft oder einen Aktionär oder Gläubiger schädigt, kann ein Verwaltungsrat persönlich verantwortlich werden. Dabei haften die einzelnen Verwaltungsräte und nicht die Gesamtheit der Verwaltungsräte als Gremium.
Auch in der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit müssen die klassischen vier Haftpflichtvoraussetzungen gemeinsam erfüllt sein, um jemanden haftbar zu machen. Der Geschädigte hat das Vorliegen jeder dieser Voraussetzungen zu beweisen. Es handelt sich um Pflichtverletzung, Schaden, Kausalzusammenhang und Verschulden.
Zunächst muss dem Verwaltungsrat die Verletzung einer Pflicht nachgewiesen werden. Diese Pflichten ergeben sich aus Gesetz, Statuten und Beschlüssen der Gesellschaft. Zu den zentralen Pflichten der Verwaltungsräte gehören insbesondere die unverzichtbaren und undelegierbaren Pflichten gemäss Art. 716a OR, beispielsweise die Oberleitung der Gesellschaft, Festlegung der Organisation, die Ausgestaltung des Rechnungswesens sowie der Finanzkontrolle und Finanzplanung etc. Aus Art. 717 OR leiten sich weitere Pflichten ab. So geht daraus hervor, dass die Interessen der Gesellschaft den Interessen des individuellen Verwaltungsrats vorgehen. Aus der Bestimmung werden auch die Sorgfaltspflicht, die Treuepflicht, die Pflicht zur Verschwiegenheit, die Gleichbehandlungspflicht der Aktionäre oder die Pflicht zur Gewinnstrebigkeit der Gesellschaft abgeleitet.
Dem Geschädigten muss ein Schaden entstanden sein. Der Schaden ist dabei als Differenz zwischen dem Vermögensstand mit und ohne das schädigende Ereignis zu verstehen. Im häufigsten Fall der aktienrechtlichen Verantwortlichkeit, ist den Geschädigten ein Schaden entstanden, weil der Konkurs der Gesellschaft ungerechtfertigt verzögert worden ist. Wäre der fragliche Verwaltungsrat also seinen Pflichten nachgekommen und wäre die Gesellschaft entsprechend früher in Konkurs gegangen. Wäre der Schaden geringer ausgefallen.
In einem solchen Fall erfolgt die Berechnung des Schadens dadurch, dass der Vermögensstand der Gesellschaft im tatsächlichen Konkurszeitpunkt mit demjenigen im hypothetischen Konkurszeitpunkt verglichen wird. Dies tönt einfach, ist aber oft sehr komplex, da für den Zeitpunkt des hypothetischen Konkurszeitpunktes normalerweise keine Abschlüsse bestehen. Sie müssen daher auf diesen Zeitpunkt hin rekonstruiert werden. Die jeweiligen Abschlüsse müssen zudem in Liquidationswerte umgewandelt und verglichen werden.
Weiter muss auch ein adäquater Zusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und dem Schaden bestehen, um die persönliche Haftung auszulösen. Einerseits muss die Pflichtverletzung des Verwaltungsrats Ursache des geltend gemachten Schadens sein (kausal). Andererseits muss das Verhalten des Verwaltungsrates nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sein (adäquat kausal), um den Schaden zu verursachen. Eine Adäquanz wird beispielsweise auch verneint, wenn ein pflichtgemässes Verhalten den Schaden nicht hätte verhindern können.
Schliesslich muss ein Verschulden auf Seiten des Verwaltungsrats vorliegen. Bei der Bewertung des Verschuldens wird ein objektiver Massstab angesetzt, d.h. ein Verschulden ist gegeben, wenn der Verwaltungsrat nicht so gehandelt hat, wie es von einem Anderen in derselben Situation objektiv erwartet werden darf. Verfügt ein Verwaltungsrat über unterdurchschnittliches Wissen, entlastet ihn dies nicht. Verfügt er jedoch über überdurchschnittliche Qualifikationen, sind diese für ihn massgebend. Grundsätzlich haftet der Verwaltungsrat für jedes Verschulden, somit auch für eine leichte Fahrlässigkeit.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass nicht jeder “Fehlentscheid” auch zu einer Haftung des entscheidenden Verwaltungsrats führt. Das Führen einer Unternehmung erfordert das Eingehen von Risiken. Erst die Zukunft wird weisen, ob ein bestimmter Entscheid sich letztlich zum Vorteil oder Nachteil der Gesellschaft auswirkt. Solange also ein Verwaltungsrat nachweisen kann, dass der entsprechende Entscheid damals sorgfältig abgeklärt und gefällt worden ist, fehlt es an einer Sorgfaltspflichtverletzung und die Haftung entfällt.