Zur Bemessung des steuerlich massgeblichen Erfolgs ist vom handelsrechtskonform erstellten OR-Abschluss auszugehen. Dieses sog. «Massgeblichkeitsprinzip» wird in Art. 58 Abs. 1 lit. a und Art. 18 Abs. 3 DBG formuliert: Die handelsrechtskonform erstellte Jahresrechnung (Art. 957 ff. OR) bildet den Ausgangspunkt für die steuerliche Bemessung von Gewinn und Kapital. Möglich sind jedoch «Korrekturen» aufgrund besonderer Vorschriften, mit denen das Abgaberecht bewusst vom Handelsrecht abweicht.
Rückstellungen sind Bestandteil des Fremdkapitals (s. Art. 960e OR sowie Art. 959 Abs. 5 OR sowie die Aufteilung des Fremdkapitals gemäss Art. 959a Abs. 2 Ziff. 1 und 2 OR). Die allgemeinen Voraussetzungen zur Passivierung gemäss Art. 959 Abs. 5 OR gelten auch hier: Rückstellungen müssen bilanziert werden, wenn sie durch vergangene Ereignisse bewirkt wurden, ein zukünftiger Mittelabfluss wahrscheinlich ist und ihre Höhe verlässlich geschätzt werden kann. Gemäss Art. 960e Abs. 2 OR müssen solche Buchungen zulasten der Erfolgsrechnung gebildet werden, wenn vergangene Ereignisse einen Mittelabfluss in künftigen Geschäftsjahren erwarten lassen. Zukünftige Reparaturen fallen im Allgemeinen kaum unter diese Definition, womit handelsrechtlich keine Passivierung möglich ist.
Gemäss Art. 960e Abs. 3 OR dürfen jedoch auch andere Rückstellungen gebildet werden, welche nicht in jedem Fall der soeben skizzierten Definition entsprechen. Dabei werden in den Ziff. 1 – 4 des Absatzes 3 von Art. 960e OR insbesondere vier zusätzlich mögliche Rückstellungsfälle genannt:
Während Garantierückstellungen der Definition noch am ehesten entsprechen dürften, erlauben die anderen Tatbestände (so insbesondere Art. 960e Abs. 3 Ziff. 4 OR) die Bildung von stillen Ermessens- oder Willkürreserven und stellen damit höchstens buchhalterisch Fremdkapital dar. Die Existenz des Vorsichtsprinzips setzt dabei der buchhalterischen Rückstellungsbildung in der Praxis kaum nennenswerte Grenzen; materiell handelt es sich bei solchen Posten jedoch um Eigenkapital, das handelsrechtlich aber weder so bezeichnet noch im Anhang erwähnt werden muss (nur eine Netto-Auflösung von stillen Reserven ist in gewissen Fällen vorgesehen, nicht aber die Skizzierung von Beständen).
Wie hat nun das Bundesgericht im vorliegenden Fall entschieden? – Strittig ist aus steuerrechtlicher Sicht, ob es sich bei den im handelsrechtlichen Abschluss verbuchten «Rückstellungen» um steuerlich akzeptierte Rückstellungen gem. Art. 29 Abs. 1 lit. c DBG (andere unmittelbar drohende Verlustrisiken, die im Geschäftsjahr bestehen) handelte. Das Bundesgericht hat dies, wie auch die Veranlagungsbehörden, im Kern aus folgenden Überlegungen verneint.
Wie der Entscheid zeigt, folgen die Steuerbehörden nicht in jeder Beziehung umfassend der in Swiss GAAP FER oder IFRS üblichen und OR ebenso umschriebenen Interpretation der Rückstellungen als Verpflichtungen aus einem «vergangenen» Ereignis, stellen jedoch in den davon abweichenden Fällen zum Teil schwer zu erfüllende Voraussetzungen für solche Buchungen. Es empfiehlt sich wohl in der Praxis, diesen Punkt im Voraus mit den Veranlagungsbehörden zu klären, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.