Die Umbau AG mit Sitz in Baden wurde vor drei Jahren gegründet. Der Inhaber ist gelernter Maler und hat im ersten Jahr mit einem Hilfsarbeiter begonnen. Aufgrund seines Netzwerkes erhielt er innert kürzester Zeit viele Renovationsaufträge für Liegenschaften. Schnell erkannte der Inhaber, dass er davon profitiert, wenn die Umbau AG die ganzen Renovationsarbeiten erledigt. Nach und nach stellt der Betrieb einen Plattenleger (mit LAP), einen Gipser (mit LAP), einen Maler (ungelernt) und einen Sanitär (ungelernt) sowie vier Hilfsarbeiter ein. Die Geschäfte laufen gut, die Firma schreibt Gewinne, es werden faire Löhne bezahlt und die Arbeitnehmenden sind zufrieden. Eines Tages wird der Betrieb auf der Baustelle kontrolliert und die Mühlen der paritätischen Kommissionen beginnen zu mahlen.
Der Betrieb wird nun von der Kommission des Maler- und Gipsergewerbes sowie von den Plattenlegern angeschrieben. Es folgen Unterstellungskontrollen von beiden Kommissionen. Ein Jahr später wird der Betrieb dem GAV Maler- und Gipsergewerbe unterstellt. Bei der darauffolgenden Lohnbuchkontrolle werden verschiedene Verstösse gegen den GAV festgestellt. Der Betrieb führt keine Arbeitszeiterfassung (Konventionalstrafe CHF 4’000.00). Es wurden 42h pro Woche statt den vorgegebenen 40h gearbeitet (zahlreiche nicht bezahlte Überstunden). Es wurden 20 statt den vorgeschriebenen 22 Tagen Ferien gewährt (Feriennachzahlung). Die Hilfsarbeiter wurden unter dem Mindestlohn angestellt und keine Mittagsentschädigung vergütet.
Der administrative Aufwand für die Kontrollen (Unterstellungs- und Lohnbuchkontrollen) waren zeitintensiv. Die Nachzahlungen der Löhne (CHF 9’500.00), die Kontrollkosten (CHF 3’400.00) und die Konventionalstrafe (CHF 7’000.00) waren nicht budgetiert und störten das Vertrauensverhältnis zu den Arbeitnehmenden. Zudem fielen Treuhand- und Rechtsberatungskosten während und nach dem Verfahren an.
Wie hätte der Betrieb vorgehen sollen?
Werden durch ein Unternehmen verschiedene Tätigkeiten angeboten, ist vorab zu prüfen, ob es sich um einen echten oder unechten Mischbetrieb handelt. Bei einem echten Mischbetrieb kann pro selbständiger Betriebsteil einen eigenen GAV zur Anwendung gelangen.
Grundsätzlich gilt für das gesamte Unternehmen derselbe GAV. Dies ist die sogenannte Tarifeinheit. Umfasst ein Unternehmen jedoch mehrere Betriebe oder Betreibteile, welche unterschiedliche Branchentätigkeiten ausführen und eine genügende nach aussen erkennbare Selbständigkeit aufweisen, kann ein echter Mischbetrieb vorliegen. Damit ein Betriebsteil ein selbständiger Betriebsteil darstellt, muss der Betriebsteil nach Bundesgericht[1] eine eigene organisatorische Einheit bilden. Dies setzt Folgendes voraus:
Das Bundesgericht legt 2014 zudem fest, dass ein Betrieb mit 5 Arbeitnehmenden zu klein ist, um in verschiedene Sektoren zu unterteilen und somit kein echter Mischbetrieb darstellt.[2]
In unserem Praxisbeispiel wurden 8 Arbeitnehmende beschäftigt. Wir gehen von obenstehender Rechtsprechung aus, wonach der Betrieb zu klein ist, um in verschiedene Sektoren zu unterteilen. Zudem verfügt der Betrieb nicht über selbständige Betriebsteile, welche eine unterschiedliche Zuordnung rechtfertigen.
Folglich gilt der Grundsatz der Tarifeinheit und das Unternehmen wird als Ganzes mit allen Arbeitnehmenden (auch Berufsfremde) einem GAV unterstellt.
Grundsätzlich beschliessen die Kommissionen und abschliessend die Gerichte, unter welchen allgemeinverbindlichen GAV ein Betrieb fällt.[3]
Die Gerichte stützen sich dabei auf das wirtschaftliche Gepräge bzw. die effektive Tätigkeit. Die effektive Tätigkeit ist anhand der Arbeitsstunden oder anhand des erarbeiteten Umsatzes zu ermitteln. Folglich raten wir einerseits den Kontoplan der Finanzbuchhaltung und andererseits die Arbeitszeiterfassung entsprechend anzupassen.
Die Finanzbuchhaltung lässt sich mit geringem Aufwand so einrichten, dass der Betrieb jederzeit darlegen kann, in welcher Branche wie viel Umsatz erwirtschaftet worden ist.
Mithilfe der Arbeitszeitrapporte kann die effektive Tätigkeit noch wahrheitsgetreuer wiederspiegelt werden. Die Umsetzung ist jedoch etwas umständlicher und in der Regel teurer. Wir empfehlen den Betrieben für diese Problematik mit dem Anbieter der Zeiterfassungs-Software nach Lösungen zu suchen. Insbesondere Betriebe mit mehr als 10 Arbeitnehmenden, welche aufgrund Ihrer Tätigkeit zu den Mischbetrieben zählen, sollten mit Hilfe der elektronischen Zeiterfassung in der Lage sein, Ende Jahr zu ermitteln, in welchen Branchen wie viele Arbeitsstunden eingesetzt wurden.
In unserem Praxisbeispiel wurde in der Erfolgsrechnung nachträglich zwischen Einnahmen aus Plattenlegerarbeiten, Gipser und Malerarbeiten sowie weitere Dienstleistungen unterschieden. Das Unternehmen verzichtete auf die Unterscheidung in der Zeiterfassung, weil die unterschiedlichen Dienstleistungen zu annähernd gleichen Preisen angeboten werden.[4] Folglich entsprach das Verhältnis des Umsatzes auch dem Verhältnis der Arbeitszeit.
Der Zweck des Betriebes im Handelsregister ist lediglich ein Indiz für die effektive Tätigkeit. Die Erfahrung zeigte jedoch, dass die meisten paritätischen Kommissionen lediglich den Zweck des Handelsregisters prüfen. Folglich lohnt es sich die Formulierung des Zwecks anzupassen, wenn sich das Dienstleistungsangebot verändert.
Die Verbandsmitgliedschaft ist für die Unterstellung aufgrund einer Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht relevant. Folglich kann der Betrieb Mitglied des Schreinermeisterverbandes (VSSM) sein und dennoch dem GAV des Mahler- und Gipsergewerbe unterstellt sein, wenn das wirtschaftliche Gepräge im Malergewerbe liegt.
Die Mitgliedschaft bei einem Berufsverband kann bei unechten Mischbetrieben hilfreich sein, wenn das wirtschaftliche Gepräge nicht eindeutig gegen ist. Wechselt das Gepräge langfristig, schützt die Verbandmitgliedschaft, wie bereits erwähnt, nicht davor, dass der Betrieb einem anderen GAV unterstellt wird.
In unserem Praxisbeispiel unterstützte die Verbandsmitgliedschaft die Unterstellung unter den GAV Maler- und Gipsergewerbe.
Ähnlich verhält es sich bei den Arbeitsverträgen. Die Formulierung des Arbeitsvertrags ist lediglich ein Indiz für die Zuteilung des Arbeitnehmenden bzw. der Branche des Betriebs.
In unserem Praxisbeispiel wurden die Arbeitsverträge angepasst und auf den Verträgen festgehalten, dass das Arbeitsverhältnis im Sinne des GAV Maler- und Gipsergewerbe eingegangen wurde.
Sind Sie Geschäftsführer, Buchhalter oder Treuhänder eines Betriebes, welcher Tätigkeiten aus verschiedenen Branchen anbietet, sollten Sie für die Problematik des Mischbetriebes sensibilisiert sein. Sie sollten die Buchhaltung und die Zeiterfassung so aufgleisen, dass Sie ermitteln können, in welchen Branchen das Unternehmen primär tätig ist.
Kennen Sie den anwendbaren GAV, empfiehlt sich eine Verbandsmitgliedschaft zu prüfen, den Handelsregistereintrag und den Internetauftritt stringent zu formulieren sowie die Arbeitsverträge anzupassen und selbstredend den GAV korrekt anzuwenden.
[1] BGE 9C_229/2015 vom 6. Oktober 2015.
[2] BGer 4A_351/2014 vom 09.09.2014.
[3] BGer 4A_351/2014 vom 09.09.2014.
[4] Anders würde es aussehen, wenn ein Betrieb zum Beispiel Gartenarbeit und Aushubarbeiten, welche ab einer gewissen Tiefe dem GAV des Baugewebes (LMV) untersteht.