Ich finde es wichtig, dass es so eine Beratungsstelle gibt. Durch ihr Vorhandensein können Missstände innerhalb einer Organisation oder Firma aufgedeckt werden. Einige, insbesondere grössere Unternehmen, haben bereits eigene Stellen; diese sind aber nicht gleich unabhängig wie externe Beratungsstellen. Die aktuelle Rechtslage ist jedoch schwierig: Ein Whistleblower bewegt sich auf sehr dünnem Eis.
Jeder Mitarbeiter untersteht dem Geschäftsgeheimnis. Plaudert er interne Missstände aus, verstösst er gegen dieses Geschäftsgeheimnis und kann angeklagt werden. Das ist meiner Meinung nach paradox – als würde der Bund illegale Machenschaften gutheissen. Es muss dringend ein Wandel beim Gesetzgeber stattfinden.
Aktuell ist noch vieles unklar. Im Jahr 2003 reichte der ehemalige Basler Nationalrat Remo Gysin eine Motion ein. Darin forderte er, dass Personen, die an ihrem Arbeitsplatz Korruption und andere UnregeImässigkeiten aufdecken, intern melden oder an die Öffentlichkeit tragen, effektiven Schutz vor ungerechtfertigter Entlassung und weiterer Diskriminierung erhalten. Die Motion wurde 2005 vom Ständerat und 2007 vom Nationalrat angenommen. Die erste Teilrevision des OR hat der Bundesrat 2008 in die Vernehmlassung geschickt, die zweite 2010. Im September 2015 hat der Ständerat dann die Vorlage an den Bundesrat zurückgewiesen. Das Gesetz sollte «verständlicher und einfacher» formuliert werden. Bis jetzt hat sich jedoch nicht viel verändert. Die Gesetzesmühlen in Bern mahlen eben sehr langsam.
Ich bin überzeugt, dass sie bei den Mitgliedern schlicht zu wenig bekannt ist. Es ist notwendig, dass man regelmässig auf die Beratungsstelle aufmerksam macht. Beim Bund hatten wir auch eine Beratungsstelle, diese wurde erst nach mehreren Jahren benutzt und auch erst dann, als regelmässig darauf hingewiesen wurde.
Sie kann einen Whistleblower nicht schützen, sie kann ihn jedoch unterstützen und ihm aufzeigen, wie er sich in seiner Situation verhalten soll. Zudem kann eine Beratungsstelle von sich aus Strafanzeige gegen ein Unternehmen erstatten.
Als erstes muss man ihren Bekanntheitsgrad fördern. Zweitens ist es wichtig, dass die «Streu vom Weizen» getrennt wird. Das heisst, eine Beratungsstelle muss herausfinden, ob es sich bei der Meldung um gekränkte Mitarbeiter handelt, denen gekündigt wurde oder die nicht befördert wurden und die sich mit ihrer Meldung einfach nur rächen wollen. Whistleblowing kann auch missbräuchlich betrieben werden.
Eine typische Situation kann sein, wenn ein Arbeitskollege illegal Bestechungsgelder aus dem Ausland annimmt. Schwierig wird es vor allem dann, wenn Vorgesetzte in die Korruption verwickelt sind. Betroffene sind dann meist machtlos.
In einer solchen Situation kann man sich nicht an den Vorgesetzten wenden. Hier empfehle ich, eine Whistleblowing-Beratungsstelle aufzusuchen. Der erste Schritt ist sicherlich eine sorgfältige Risikoabwägung. Je nach Ergebnis können die Informationen dann an Dritte weitergegeben werden. Bei dieser Risikoabwägung unterstützen Experten des Kaufmännischen Verbands Schweiz und veb.ch ihre Mitglieder.
Das hat sicherlich mit der Kultur zu tun. In der Schweiz ist ein Whistleblower ein «Nestbeschmutzer», einer, der seine Kollegen verrät. In den USA hat ein Whistleblower einen ganz anderen Stellenwert.