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Digitalisierung der Arbeitswelt

Geschrieben von Markus Hugentobler | 04/12/2025 8:49

Auf dem Weg zur Digitalisierung der Arbeitswelt lauern Stolperfallen, deren sich der Arbeitgeber oft nicht gewahr ist. Doch obschon verschiedene Rechtsnormen aus Arbeits- und Datenschutzrecht betroffen sein können, werden Fehler nicht zwingend sanktioniert.

Darf der Arbeitgeber die Nutzung von KI am Arbeitsplatz einschränken, verbieten oder andererseits sogar gebieten?

Verbot und Gebot der KI-Nutzung

Gestützt auf sein Weisungsrecht in Art. 321d OR darf der Arbeitgeber die Nutzung von KI am Arbeitsplatz einschränken, verbieten oder andererseits gebieten. Dies jedenfalls, soweit die arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellte Infrastruktur betroffen ist.

Das Verbot wäre sehr einfach zu begründen, denn die Arbeitsleistung ist eine höchstpersönliche Leistung. Die Nutzung gewisser Werkzeuge darf verboten werden. Nutzt der Arbeitnehmende mit Einverständnis des Arbeitgebers sein eigenes Endgerät (z.B. Smartphone, Tablet) im Rahmen von BYOD für geschäftliche Zwecke, liessen sich die Einschränkung oder das Verbot jedoch nicht durchsetzen.

Beim Gebot wird es schwieriger. Der Arbeitgeber muss die Werkzeuge grundsätzlich zur Verfügung stellen (Art. 327 OR) und die Mitarbeitenden schulen. Zudem muss die KI-Nutzung der Stellenbeschreibung entsprechen. Beispiel: Eine Grafikerin hat bisher mit ihrem i-Pad gemalt. Nun kommt der Arbeitgeber und sagt, sie müssen KI dafür nutzen. Das wäre auf den ersten Blick keine kreativ-künstlerische Tätigkeit mehr, sondern die Mitarbeiterin würde zur Prompterin. Andererseits kann ein Berufsbild gemäss Rechtsprechung dem Wandel der Zeit unterliegen. Beispiel dazu: Ein Bäcker, der nun einfach einen Backvollautomaten bedienen muss. In diesem Bereich lässt sich arbeitsrechtlich trefflich streiten.

Konkreter Fall «Absageschreiben»

Ausgangslage:

Im Rahmen eines Rekrutierungsverfahrens wurde das Absageschreiben anstatt auf die private E-Mail-Adresse des Kandidaten auf die Info-Geschäftsmail-Adresse gesandt. Daraufhin legte der aufgeschreckte bisherige Arbeitgeber seinem Mitarbeitenden die Kündigung nahe. Der Mitarbeitende verlangt jetzt vom potenziellen neuen Arbeitgeber «Schadenersatz» wegen Datenschutz- und Fürsorgepflichtverletzung in der Höhe von CHF 5000. Hintergrund: Die KI des betroffenen Unternehmens hatte die info-Geschäftsmail-Adresse ermittelt und dem Kandidaten zugeordnet. Entgegen internen Weisungen wurde diese Adresse ungeprüft in den Stammdaten hinterlegt.

Rechtliches Umfeld:

Das schweizerische Datenschutzgesetz ist technologieneutral abgefasst. KI-Tools ohne Überprüfung durch einen Menschen sind im Sinne der automatisierten Einzelentscheidung nach Art. 21 DSG grundsätzlich zulässig.

Die Prüfung der möglichen Haftungsgrundlagen aus Datenschutz- und Arbeitsrecht ergibt Folgendes: Durch den Falschversand des Absageschreibens liegt zwar eine Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten im Sinne der Datensicherheit vor, diese ist jedoch mangels Vorsatzes nicht strafbar (Art. 61 lit. c i.V.m. Art. 8 und Art. 5 lit. h DSG). Immerhin besteht die Möglichkeit der Feststellungsklage, wenn sich der Mitarbeitende etwas davon verspricht (Art. 32 Abs. 2 DSG i.V.m. Art. 28a Abs. 1 Ziff. 3 ZGB).

Aus der Missachtung der internen Weisung, Adressen nicht ungeprüft in den Stammdaten zu hinterlegen, kann der Kandidat zivilrechtlich keinen Schadenersatzanspruch gegen den potenziellen neuen Arbeitgeber ableiten, denn die Fürsorgepflicht in Art. 328 OR greift erst ab Anstellung. Auch sind dem alten Arbeitgeber im Sinne von Art. 328b OR keine personenbezogenen Daten über seinen Mitarbeitenden mitgeteilt wurden, die er nicht bereits kennt. Ausservertraglich nach Art. 41 OR haftet der Arbeitgeber nicht, weil noch kein Schaden eingetreten ist. Selbst wenn dem so wäre, träfe den Arbeitnehmenden eine Schadenminderungspflicht (Stellensuche, Anmeldung beim RAV) und er müsste sich die Leistungen der ALK anrechnen lassen.

Für eine Genugtuung gemäss Art. 49 OR wäre gemäss konstanter Rechtsprechung eine schwere Verletzung der Persönlichkeit nach objektiven Gesichtspunkten erforderlich. Eine solche liegt nicht vor.

Folgerung:

So bedauerlich der Vorfall ist – der Kandidat hat aus rechtlicher Sicht Pech gehabt.

Take-aways

  • Im Zuge der Digitalisierung der Arbeitswelt stellen sich Fragen zum Arbeits-, Datenschutz- und u.a. auch zum Urheberrecht.
  • Das schweizerische Datenschutzgesetz ist technologieneutral abgefasst und deckt auch Fragen zur KI-Nutzung ab.
  • Der Arbeitgeber darf die Nutzung von KI verbieten. Befiehlt er deren Nutzung, kann er rasch an rechtliche Grenzen stossen.